Tarifeinheit auch auf Europaebene verfassungsrechtlich bedenklich

Wiesbaden, 23.2.2015 – Der Führungskräfteverband Chemie VAA gab zum geplanten Gesetz zur Tarifeinheit ein Gutachten beim Trierer Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der EU (IAAEU) in Auftrag, das nun von dessen Direktorin, Prof. Monika Schlachter, veröffentlicht wurde.

Sie kritisiert darin „dass eine gesetzlich erzwungene Tarifeinheit durch Vorgabe eines ‚betriebsbezogenen Mehrheitsprinzips‘ einen schwerwiegenden Eingriff in das Betätigungsrecht spezialisierter Vereinigungen darstellt. Dieses Betätigungsrecht von speziellen Verbänden wird jedoch im Arbeitsvölkerrecht sowohl von den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Nr. 87 und 98 als auch von Artikel 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt.“

VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch betonte, dass das Gutachten die vom VAA geäußerte und begründete Ablehnung der gesetzlichen Tarifeinheit bestätige. Das Tarifeinheitsgesetz verschärfe nicht nur die allgemeine Rechtsunsicherheit, sondern verstoße auch gegen internationale und europarechtliche Regeln. (Quelle: VAA, 13.02.2015).


Bundesrat keine Bedenken gegen die Pläne der Bundesregierung zur Einführung der Tarifeinheit

In seiner Sitzung am 6. Februar 2015 erhob der Bundesrat  gegen den vorgelegten Gesetzentwurf keine Einwendungen. Die Bundesregierung wird ihn im Frühjahr  in den Bundestag einbringen. Der DJV Hessen hat sich bereits im vergangenen Herbst mit dem Appell an die hessischen Bundestagsabgeordneten gewandt, gegen die gesetzliche Einführung der Tarifeinheit zu stimmen.

Sollte der Entwurf zum Gesetz werden, wird der DJV eine Verfassungsbeschwerde vobereiten.


Weitere Klagen kämen vor das Bundesverfassungsgericht

Mehrere Spartengewerkschaften bereiten ebenfalls Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen ein  geplantes Gesetz zur Tarifeinheit vor. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die Pilotenvereinigung Cockpit und der Deutsche Beamtenbund hätten unabhängig voneinander dafür Anwaltskanzleien beauftragt. Dem Beamtenbund gehört auch die Lokführergewerkschaft GDL an. (Quelle: Zeit online, 8.11.2014)


Der Marburger Bund sieht Konflikt mit den Grundrechten:
„Es ist ein Eingriff in den Kernbereich des Grundrechts. Denn dafür sind Gewerkschaften da, um Tarifverträge abzuschließen und Arbeitskämpfe dabei notfalls zu führen. Das ist ihr Kern. Wer einer Gewerkschaft dieses Recht nimmt, greift tief ins Grundrecht ein", sagte der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Er hat im Auftrag der Ärztegewerkschaft Marburger Bund ein Gutachten erstellt. (Quelle: Deutschlandfunk , 13.12.2014)


Auch der BFFSBundesverband Schauspiel, Bühne, Film, Fernsehen, Sprache) äußerte sich ablehnend:
„Nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die eine Mehrheit unter der Arbeitnehmerschaft im Betrieb hat, soll in Zukunft ausschlaggebend sein. Die anderen, die Minderheitsgewerkschaften sollen sich fügen, sollen ihre Tarifverträge von denen der Mehrheitsgewerkschaften abschreiben dürfen, sollen jedenfalls nicht – was das ureigenste Merkmal einer Gewerkschaft und im Grundgesetz garantiert ist – streiken dürfen (…)Das passt nicht zur Koalitionsfreiheit, die in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz garantiert wird.“ (Quelle: BFFS, 5.12.2015)


Der Verband Bildung und Eziehung Baden-Württemberg (VBE) ist gegen eine gesetzliche Tarifeinheit:
„Durch das Gesetz zur Tarifeinheit soll dafür gesorgt werden, dass bei Tarifkonflikten nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gilt. Dies schränkt nicht nur die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften ein, sondern auch das Recht der Arbeitnehmer auf Organisationsfreiheit.“ (Quelle: VBE, 11.2.2015)


Auch der dbb lehnt Gesetzentwurf ab:
„Ausgehend von der schwerwiegenden und in keiner Weise zu akzeptierenden impliziten Einschränkung von Grundrechten geht der dbb davon aus, dass das Gesetzesvorhaben nachhaltigen Schaden in der bundesdeutschen Gewerkschaftslandschaft anrichtet, der nicht ohne Folgen für die Gesamtstärke der bundesdeutschen Gewerkschaftbewegung bleiben wird und über eine Zerrüttung des Betriebsfriedens in unzähligen Fällen auch für die Arbeitgeber von nachteiliger Wirkung sein wird.“ (Quelle: dbb, 11.11.2014)


Die  Deutsche Justiz-Gewerkschaft und deren  dbb-Dachverband lehnt den „hierzu vorliegenden Referentenentwurf als letztlich verfassungswidrig und als vorsätzliche Einschränkung der verfassungsmäßig verankerten Grundrechte auf die freie Bildung und Wirkung von Gewerkschaften ab.“ (Quelle: djg, 15.12.2014)


Der renommierte Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Däubler weist in einem Gutachten für die Linksfraktion im Bundestag nach: „Das geplante Gesetz zur ‚Tarifeinheit‘  ist unbegründet, unverhältnismäßig und grundgesetzwidrig.“ (Quelle: Gutachten zum Gesetzentwurf der Bundesregierung von Prof. Dr. Wolfgang Däubler, 9.1.2015)

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