Medienversammlung 2014 in Düsseldorf

Düsseldorf, 1. Juli 2014 – Wie geht es weiter mit dem (investigativen) Journalismus? Ein großes Aufgebot an prominenten Podiumsteilnehmern und eine hohe Besucherzahl spiegelten die Brisanz des Themas bei der Medienversammlung 2014 in Düsseldorf wider. Die Diskussionsrunde mit dem Thema „Die Zukunft des(investigativen) Journalismus“ wurde in Kooperation der LfM-Medienkommission, investigate!e.V. und der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) organisiert und veranstaltet.
Qualitätsjournalismus und seine Finanzierbarkeit diskutierte die Medienversammlung 2014 in Düsseldorf. Vorne Mitte: Ulrike Kaiser von IQ, links neben ihr Klaus Liedtke, Vorstand investigate! e.V. Foto: Sonja Lehnert

Einer der Aufhänger war die anhaltende Diskussion über die Gründung einer Stiftung der Landesanstalt für Medien LfM in Nordrhein-Westfalen. Zudem stellten kürzlich die Liberalen im Düsseldorfer Landtag den Antrag, den Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen.

Und damit nicht genug, präsentierte David Schraven, bis Ende Mai noch Recherche-Chef bei der WAZ, das just am 1. Juli gestartete erste gemeinnützige Recherchebüro im deutschsprachigen Raum, Correct!V.

Zum Auftakt der Veranstaltung diskutierten über die Einflussnahme der Geldgeber auf unterstützten und geförderten Journalismus: Ulrike Kaiser, Initiative Qualität im Journalismus und stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende, Klaus Liedtke, ehemals Chefredakteur
Dass das Thema Feuer schürrt, zeigten die kontroversen Diskussionsbeiträge auf dem Podium, aber auch seitens des Publikums, das aufgefordert war, mitzudiskutieren. Zwei zentrale Fragen standen auch in Düsseldorf  im Mittelpunkt: Wie kann der Journalismus Qualität auch in der digitalen Welt beibehalten? Und wie kann Qualitätsjournalismus bezahlt werden?

Eine Diskussionsgrundlage lieferte die aktuelle LfM-Studie „Journalismus in der digitalen Welt: Wie verändert sich gerade journalistisches Arbeiten?“  Eine Bestandsaufnahme mit ersten Ergebnissen legten Prof. Dr. Volker Lilienthal (Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Praxis des Qualitätsjournalismus, Universität Hamburg) und Prof. Dr. Stephan Weichert (Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation und Hamburg Media School) vor. Die beiden Wissenschaftler untersuchten vor allem den Einfluss des Internets auf die Erstellung von Medieninhalten.

Prof. Dr. Volker Lilienthal (Foto) stellte die LfM-Studie

In die Studie einbezogen wurden auch die Nutzer, die gegenwärtig erstmals die Gelegenheit erhielten, online direkt an der Erstellung von Inhalten mitzuwirken. Zu wenig würden sie noch einbezogen, doch wie weit sollte man sie mitwirken lassen? Auch darüber wurde heftig diskutiert, denn bei aller Technik und Automatisierung  dürfe man nicht den gesellschaftlichen Auftrag des Journalismus vergessen (die komplette Studie „Journalismus unter digitalen Vorzeichen“ erscheint im Herbst in der Schriftenreihe Medienforschung der LfM).


Sascha Fobbe, stellvertretende Landesvorsitzende des DJV NRW und Redakteurin bei Radio RST, argumentierte, dass die Medien unter anderem auch die Aufgabe hätten, darüber zu informieren, was vielleicht nicht gerade auf der Beliebtheitsskala der Nutzerinnen und Nutzer ganz oben stehe, aber als Grundlage wichtig für die Meinungsbildung sei.


Die Finanzierung von Qualitätsjournalismus

Vonseiten der meisten Verlage heißt die einzige Finanzierungsmöglichkeit „Sanierung“. So geschieht es bundesweit, aktuell gerade beim hessischen Darmstädter Echo und wie Chefredakteur der „Westdeutschen Zeitung“, Ulli Tückmantel, berichtete auch in NRW. Mit der Einsparung von 50 Prozent des Personals soll die WZ saniert werden.
Sie diskutierten über die Veränderungen journalistischen Arbeitens im Digitalzeitalter und über alternative Finanzierzungsmöglichkeiten: David Schraven, ehem. WAZ-Recherche-Chef und Gründer von Correct!V, Christian Fahrenbach, Krautreporter, Bettina Schmieding, Moderation, Helga Kirchner, ehem. WDR-Chefredakteurin Hörfunk und Sascha Fobbe, Redakteurin Radio RST und stellvertretende Landesvorsitzende DJV NRW (v.l.n.r.). Foto: Sonja Lehnert

Dass es andere Wege gibt, zeigten kürzlich die „Krautreporter“. Christian Fahrenbach, einer der Gründer und Mitautor, diskutierte auch auf dem Podium der Medienversammlung und ist sich bei der Finanzierung des Projektes durch Crowdfunding durchaus des Wohlwollens der Branche bewusst, die durch ihre Unterstützung zum Gelingen beigetragen hat. 15.000 Menschen tragen ein Jahr lang mit fünf Euro monatlich dazu bei, dass, wie Fahrenbach es beschrieb, „ausgeruhte Artikel“ im sonst hektischen Online-Journalismus erscheinen.

Ob staatliche Unterstützung den Journalismus nicht vollkommen knebelt und fesselt, wird gegenwärtig vor allem in Nordrhein-Westfalen heftig diskutiert. Laut Antrag der FDP im Landtag soll Journalismus die Chance in Deutschland bekommen, gemeinnützig zu werden – solange dies selbstlos und ohne Gewinnerzielungsabsicht geschehe. In den USA wird das seit Jahren praktiziert. Gewinnorientierte Medienhäuser, alle, die Profite machen wollen, sind davon selbstverständlich ausgenommen.

Noch bevor auf politischer Ebene über die Gemeinnützigkeit von Medien entschieden wurde, geht seit dem 1. Juli das erste gemeinnützige Recherchebüro im deutschsprachigen Raum, Correct!V, unter der Leitung von David Schraven diesen Weg. Mit finanzieller Unterstützung der Brost-Stiftung will Schraven und sein Team Recherchen durchführen, für die andere Medien kein Geld mehr haben. Vorbild ist die US-Organisation ProPublica, die komplexe Recherchen finanziert und die Ergebnisse unentgeltlich Zeitungen, Magazinen oder TV-Sendern zur Verfügung stellt.

Ulrike Kaiser (l.), IQ und stellvertretende Bundesvorsitzende DJV, warnt davor, dass die Qualität des Journalismus in immer kleiner werdenden Redaktionen immer mehr gefährdet sei. Foto: Sonja Lehnert
Direkte und indirekte Formen der Presseförderung sind im Übrigen in den meisten europäischen Ländern gang und gäbe. Dabei sind die skandinavischen Länder Vorreiter, was nicht heißt, dass der Staat dort die Pressefreiheit einschränkte. Ganz im Gegenteil: Schweden und Norwegen rangieren auf dem ersten, Finnland auf dem dritten und Dänemark auf dem sechsten Platz der Pressefreiheitserhebung von Freedom House.
Gegner wie Befürworter von Presseförderung dürften sich darin einig sein, dass die Freiheit der Medien von Staat (und Wirtschaft) ein hohes Gut ist, das es zu erhalten gilt. Staatliche Eingriffe in redaktionelle Entscheidungen und Medieninhalte gingen mit einer Demokratie nicht einher.

Abschlussrunde mit Prof. Dr. Gerhard Vowe, Sozialwissenschaftler, Institut für Sozialwisschenschaften der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf, Ulrike Kaiser, IQ und stellv. Bundesvorsitzende DJV, Bettina Schmieding und Prof. Dr. Frank Überall, Moderation, Prof. Dr. Marlis Prinzing, Makromedia Hochschule Medien und Kommunikation, Köln und Klaus Liedtke, ehem. Chefredakteur

 

In der Abschlussdiskussion wurde noch einmal auf Kritik, Kontrolle, Information und Bildung als Funktionen der Medien hingewiesen. Dies müsse unter den Gesichtspunkten Journalismus als Kulturgut, aber auch als Wirtschaftsgut gesehen werden, sagte Prof. Dr. Marlis Prinzing von der Makromedia Hochschule Medien und Kommunikation in Köln.

Die Medienversammlung stellte 2014 wieder deutlich heraus, dass Qualitätsjournalismus das Ziel aller Medienmacher sein sollte, dass für seine Finanzierbarkeit aber weiter nach geeigneten Wegen gesucht werden müsse. sl

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