Trotz der bayrischen und baden-württembergischen Pfingstferien hatten sich mehr als 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet, um sich weiterbilden, austauschen und medienübergreifend informieren zu können.
Der „Süddeutsche Journalistentag“ wurde von den DJV-Landesverbänden Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz in der Messe Stuttgart ausgerichtet.
Ein provokativer Einstieg
Nachdem die Landesvorsitzende des DJV-Landesverbands Baden-Württemberg, Dagmar Lange, die Teilnehmenden begrüßt hatte, setzte Christian Jakubetz zu seinem Impulsvortrag an. Jakubetz ist im Hauptberuf Journalist, Berater und Dozent. Er war Redaktionsleiter bei diversen Tageszeitungen, beim ZDF und N24, danach Redaktionsdirektor von Kirch New Media, Bereichsleiter bei SevenOne Intermedia (Quelle: Wikipedia) und gab 2011 ein neues Lehrbuch für Journalisten, „Universalcode“ (Euryclia) heraus. Sein Thema, „Was Journalisten 2020 im Gepäck haben müssen“, entlarvte er als Illusion, man könne nicht sagen, was man in sechs Jahren im Gepäck haben müsse. „Halten Sie die Augen auf, ich weiß nicht, was 2020 ist,“ war deshalb sein Resümee zum Thema, „ wir können auf Trends achten aber es ist unrealistisch zu sagen, was sein wird.“
Er habe in vielen Bemerkungen von angehenden Kolleginnen und Kollegen eine große Ambivalenz zum Journalistenberuf herausgehört. Der Beruf wäre toll, aber nicht unter diesen Bedingungen wie sie jetzt herrschten. Und es sei nicht nur die schlechte Bezahlung. Da gehe ein Frust einher mit der Erkenntnis, dass „da vorne“ in den Redaktionen Leute säßen, die den Medienwandel gar nicht sehen, ihn vielleicht sogar verhindern wollten. Es fehle die Bereitschaft bei denjenigen, die entscheiden könnten, etwas in die Hand zu nehmen und zu verändern.
Auch das Publikum sei anders geworden, fuhr Jakubetz fort, Journalismus bestehe nicht mehr daraus, Informationen zu sammeln und diese zu verkaufen, es sei mittlerweile an den Rändern ein alternativer Journalismus entstanden. „Erobern wir uns das Netz“, lud er abschließend seine Zuhörerschaft ein, „wir müssen anfangen, uns noch einmal auf die Hinterbeine zu stellen und aufhören, uns in der Abwärtsspirale zu bewegen.“
Print erobert Nischen
Eins der vielen Foren des Journalistentags beschäftigte sich nicht mit innovativen Online-Wegen, sondern mit Print-Produkten, die ihre Existenz in der Nische gefunden haben. Thomas Mrazek, freier Journalist, Dozent und Berater in München, Fachgruppe Online-Journalismus im BJV, moderierte die spannende Runde. Christiane Pfau stellte das Münchner Feuilleton vor, dessen Mitherausgeberin sie ist. Es erscheint mit einer Auflage von 25.000 Exemplaren elf Mal im Jahr, finanziert sich zum größten Teil über Anzeigen aber auch durch Abonnements und liegt in stark besuchten Kultureinrichtungen kostenlos aus. Auch wenn alle der Mitarbeitenden zwei Jobs für den Lebensunterhalt machen müssen, „wenn man nicht grundnaiv ist, macht man das nicht – aber ich würde es wieder machen,“ lautete die optimistische Aussage von Christiane Pfau. Das Münchner Feuilleton erscheint seit drei Jahren und schließt die Lücke, die die AZ mit ihren rigorosen Einschnitten im Kulturbereich schuf.
Josef-Otto Freudenreich hatte mit der Internetzeitung aus Stuttgart „Kontext: Wochenzeitung“ online begonnen und erscheint jetzt als Beilage der baden-württembergischen Ausgabe der TAZ, die für Kontext Lizenzgebühren zahlt. Herausgeber ist der Verein für Ganzheitlichen Journalismus e.V., der sich darauf beruft, dass ihr Printmedium als unabhängige Wochenzeitung erscheint und von Menschen getragen wird, die wissen, dass eine freie Presse das Brot der Demokratie ist. Freudenreich kann sich und den Mitarbeitenden ein Gehalt auszahlen, das zum Leben reicht.
Zwei Beispiele, die zeigen, dass die Eröffnungsworte von Christian Jakubetz, „…halten Sie die Augen auf … wir können auf Trends achten…“, durchaus auch auf Printmedien zutreffen kann.
Das Profil im Netz
Bettina Blaß, Journalistin, Dozentin und Bloggerin, bot den Workshop „Mein Profil im Netz“ an. In 90 Minuten riss sie das umfangreiche Thema an, sich im Internet so zu positionieren, dass andere nicht an einem vorbei kommen. Was noch vor kurzem unter dem Namen Web 2.0 als unglaubliche Entwicklung bestaunt und misstrauisch beäugt wurde, bilde heute die Grundlage für alles, was danach komme. Zur Zeit hieße es „mobiles Internet“ und man könne noch immer den Satz unterschreiben „wer das Netz nicht für sich nutzt, wird im schlimmsten Fall vom Netz benutzt“. So kommentierte Bettina Blaß die Präsenz auf allen Kanälen wie Facebook, Twitter, Youtube, Blogs oder Apps. Je mehr Präsenzen vorhanden seien, umso größer sei die Wahrscheinlichkeit, gefunden zu werden. Wichtig für ein Profil seien die Instrumente „Empfehlungsmarketing, Hyperdistribution und Suchmaschinenoptimierung“. Um mit seinem Namen im Ranking der Suchmaschinen oben zu landen, sind nicht mehr die Klicks auf die Seite ausschlaggebend, sondern die Anzahl der „gefällt mir“-Markierung und des Kommentierens, der „Traffic“, den eine Seite verzeichnet.
Also: „Erobern wir uns das Netz“, ganz im Sinn von Christian Jakubetz.
So werden Journalisten zum Markenzeichen
Bettina Blaß saß auch mit auf dem Podium, als Andrea Wohlfahrt in die Runde fragte, wie Journalisten zu Markenzeichen würden. Mit ihr diskutierten noch Julian Heck, freier Journalist und Dozent, der als sehr junger Journalist schon über sehr viel Präsenz im Internet verfügt, und Karsten Lohmeyer. Er gründete 2012 LousyPennies.de und ist als Redakteur, Ressortleiter, Textchef und Mitglied von Chefredaktionen verschiedener Print-Medien seit den 90er Jahren beschäftigt, seit 1996 auch intensiv mit dem Internet.
Diese muntere Runde veranschaulichte den gut 40 Zuhörenden, wie die Praxis im Internet ganz realistisch aussehen kann. Immer wieder bei solchen Diskussionen kommen Fragen nach dem Verdienst auf, ob man vom Schreiben im Internet leben könne. Als Antwort hört man immer wieder, vom Schreiben direkt vielleicht nicht, aber davon, dass man als Marke wahrgenommen werde. Das konnte Heck bestätigen, er habe beispielsweise schon über Twitter Aufträge bekommen. Xing sei bei Headhuntern sehr beliebt.
Auch ein immer wiederkehrender Einwand ist der hohe zeitliche Aufwand, der betrieben werden müsse, um auf allen Kanälen positioniert zu sein. Doch das wurde einstimmig von den Podiumsgästen verneint. Lohmeyer plant seine Tätigkeiten im Netz zum Beispiel gleich in seinen Alltag ein, Bettina Blaß nimmt sich die verschiedenen Kanäle an verschiedenen Wochentagen vor und für Heck bedeutet es, sich mit Kollegen zu vernetzen und in der Szene auszutauschen. Lohmeyer sagt ganz klar, „zur Markenbildung gehört ganz eindeutig die Positionierung, Sie müssen eine virtuelle Persönlichkeit bilden, sonst sind Sie austauschbar“.
Das, was Journalistinnen und Journalisten (bis) 2020 also auf jeden Fall im Gepäck haben sollten, sind offene Augen, um Trends zu erkennen und den Mut zur Persönlichkeit – auch einer virtuellen. sl
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Knud Zilian, Fachausschussvorsitzender Audiovisuelle Medien im DJV Hessen, moderierte das Hörfunk-Forum beim Süddeutschen Journalistentag. Lesen Sie mehr dazu.