Die Schlussfolgerung des Wiesbadener Medienrechtsanwalts Professor Dr. Christian Russ blieb bei aller Ernüchterung ermutigend: Aus Angst vor der eigenen Courage dürfen sich Journalistinnen und Journalisten nicht davon abhalten lassen, sauber zu dokumentieren und zu formulieren was ist. „Eine Presse, die aus Angst vor Repressionen nur noch lammfromm auftritt, verliert am Ende ihre Glaubwürdigkeit“, warnte Russ, der eine Reihe von Verlagen in Hessen berät und vertritt. „Wenn sich Veröffentlichungen auf reine Haus- und Hofberichterstattung reduzieren, rechtfertigt das die herausgehobene Stellung der Pressefreiheit nicht mehr.“ Auch in aufgeregten Zeiten und in einem zunehmend polarisierten Klima bewähren sich für ihn klassische Prinzipien des Publizierens: belegbare Äußerungen, zulässige Spekulationen, faire Schlussfolgerungen, stichhaltige Begründungen.
Juristische Einschüchterungsversuche können also am besten mit gewissenhafter Recherche abgewehrt werden. Wie das allem gewachsenen Gegendruck zum Trotz aussehen kann, schilderten Birgit Emnet und Volker Siefert aus ihrer Praxis. Die Investigativ-Journalistin des Wiesbadener Kuriers schilderte, wie massiv sie sich bei ihren Recherchen über Missmanagement und mögliche Veruntreuung bei der Arbeiterwohlfahrt in Wiesbaden unter Druck gesetzt fühlte, etwa von einem bekannten Medienanwalt, den ihre Gesprächspartner hinzugezogen hatten. Der crossmediale hr-Reporter wird auch wegen seiner hartnäckigen Recherchen über extremistische Entwicklungen in Hessen immer wieder scharf attackiert.
Dass postwendend mit Unterlassungsaufforderungen, Abmahnungen und Gegendarstellungen gedroht wird - immer mehr auch bei vermeintlich nichtigen Anlässen - zeigten im Chat auch Beispiele im Lokalen. Dagegen und für die wehrhafte Verteidigung der Pressefreiheit, so waren sich die Diskutanten einig, hilft auf allen Ebenen nach wie vor die Besinnung auf drei journalistische Tugenden: unerschrocken recherchieren, ausgewogen dokumentieren und faktengetreu reproduzieren. Dagegen kommt auch ein gewiefter Anwalt nicht an. Andreas Lang
Eine ausführlichere Analyse lesen Sie im nächsten „Blickpunkt“.