"Frankfurter Rundschau" meldet heute Insolvenz an - massive Umsatzverluste. DJV: "Keine redaktionellen Mitarbeiter kündigen" - Mitarbeiterversammlung

Eine renommierte Tageszeitung verkündete ihre Insolvenz. "Die Journalistinnen und Journalisten der FR brauchen eine berufliche Perspektive", sagte dazu DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken in Berlin.

Berlin, 13.11.2012. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat die Geschäftsführung des Medienkonzerns M. DuMont Schauberg aufgefordert, auf Kündigungen redaktioneller Mitarbeiter bei der Frankfurter Rundschau weitgehend zu verzichten. Anlass ist die am heutigen Dienstag verkündete Insolvenz der renommierten Zeitung. "Die Journalistinnen und Journalisten der FR brauchen eine berufliche Perspektive", sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken in Berlin. Er erwarte, dass der Verlag den Betroffenen adäquate Stellen bei anderen Medien von M. DuMont Schauberg anbiete. Die Freien der Frankfurter Rundschau sollten bei Berliner Zeitung, Kölner Stadtanzeiger und anderen DuMont-Titeln ihre Texte und Fotos verkaufen können.

"Die Insolvenz der Rundschau ist die Folge von jahrzehntelangem Missmanagement", kritisierte der DJV-Vorsitzende. "Das Aus der renommierten Zeitung ist besonders bitter für die Beschäftigten, die über Jahre hinweg mit Einkommensverzicht für den Erhalt ihrer Zeitung gekämpft haben." Sie hätten ein Anrecht darauf, dass sich der Verlag zu seiner Verantwortung für die FR-Journalisten bekenne.

Mit Spannung war am heutigen Nachmittag die angekündigte Mitarbeiterversammlung erwartet worden, wo die Geschäftsleitung zur momentanen Lage Stellung bezog und Fakten auf den Tisch legte. Dabei wurde bekannt, dass seit der Übernahme im Jahre 2004 die Gesellschafter, der Kölner Konzern M. DuMont Schauberg und die SPD-Medienholding ddvg, eine riesige Summe in die FR" investiert haben: 136 Millionen Euro, allein in diesem Jahr seien Verluste von rund 16 Millionen Euro aufgelaufen - damit ist das Defizit weit höher als bisher bestätigt wurde. Eine Finanzspritze der Gesellschafter in Höhe von 25 Millionen Euro zum Jahreswechsek 2011/2012 hätte das Blatt vor dem Ruin gerettet worden, hieß es.

Einer der wichtigsten Gründe für die tiefe Fahrt in die roten Zahlen ist nach offiziellen Angaben der massive Rückgang des Anzeigengeschäftes vor allem in diesem Jahr. Die Finanzmittel hätten bei "normalen Geschäftsverlauf" mindestens bis 2015 gereicht, um die FR über Wasser zu halten. Doch immer geringere Einnahmen (minus 15 Prozent) hätten die Geschäfsleitung heute Vormittag förmlich gezwungen, den Weg zum Amtsgericht Frankfurt/M. anzutreten.

Der vom Amtsgericht eingesetzter "vorläufige" Insolvenzverwalter ist im juristischen Sinne ein "schwacher" Insolvenzverwalter, weil nur er gemeinsam mit der weiterhin "amtierenden" Geschäftsleitung - und umgekehrt - Entscheidungen nach gemeinsamen Beratungen treffen kann. Betroffen von der Insolvenz ist - so hieß es heute bei der Mitarbeiterversammlung - nur die "Kerngesellschaft", nicht aber die Firma (PDF), die journalistische Leiharbeiter beschäftigt und auch weiterhin einsetzen und bezahlen will.

Vieles ist am heutigen Tag über die Zukunft der FR unklar. "Gedrückt" war die Stimmung, denn niemand weiß genau wie es weitergeht. Die Fortzahlung der Löhne sei bis auf Weiteres sicher, wurde erklärt. Der "vorläufige" Insolvenzverwalter hat jetzt drei Monate Zeit, eine "Zukunftslösung" und das heioßt offenbar einen neuen Investor zu finden. Seine Sache ist es auch zu entscheiden, wie viele Stellen wegfallen und ob es eine Weiterführung des Titels als regional ausgerichtete Zeitung geben wird. (ma) +++


Im Wortlaut - die Mitteilung der FR-Geschäftsleitung: "Fortdauernd hohe Verluste"

"Die Geschäftsführung der Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH (Frankfurter Rundschau) hat heute beim Amtsgericht Frankfurt a. Main Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter ist Herr Rechtsanwalt Frank Schmitt, Schultze & Braun, bestellt worden. Herr Schmitt ist umgehend nach seiner Bestellung mit seinem Team in die Gespräche vor Ort mit der Geschäftsleitung eingetreten. Derzeit wird die aktuelle Vermögenslage der Gesellschaft eingesehen und geprüft sowie mögliche Sanierungsansätze besprochen.

Im Weiteren wurde die für 15 Uhr anberaumte Mitarbeiterversammlung vorbereitet und zuvor Gespräche mit dem Betriebsrat geführt. Wesentliches Ziel ist derzeit, den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Löhne und Gehälter sind bislang nicht rückständig. Die weiteren fälligen Mitarbeiterbezüge sind bis Ende Januar 2013 über das Insolvenzgeld abgesichert.

Grund für den heutigen Insolvenzantrag sind massive Umsatzverluste im Anzeigen- und Druckgeschäft in der ersten Hälfte des laufenden Jahres, die der Geschäftsführung keine Chance für ein Verlassen der Verlustzone gegeben haben. Somit war auch für die Geschäftsleitung keine Perspektive der Fortführung des Unternehmens mehr erkennbar.

Die Hauptgesellschafter M. DuMont Schauberg (MDS) und Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg) erklären hierzu:

'Es ist in den vergangenen Jahren mit großem Einsatz sowohl der Geschäftsführung in Frankfurt als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelungen, ehrgeizige Kostenziele zu erreichen und dabei gleichzeitig die redaktionelle Qualität der Frankfurter Rundschau erheblich zu steigern. Wir müssen heute aber feststellen, dass all diese Anstrengungen angesichts der Umsatzeinbrüche im Anzeigen- und Druckmarkt der vergangenen Jahre und in der ersten Hälfte dieses Jahres nicht ausreichen, um die fortdauernden hohen Verluste zu beseitigen.

Die Hauptgesellschafter haben gemeinschaftlich in den vergangenen acht Jahren einen beachtlichen Millionenbetrag in das Verlagshaus investiert. Und auch die Mitarbeiter der Frankfurter Rundschau haben durch Gehaltsverzicht ihren Beitrag geleistet, um die Zeitung zu retten. Unser Ziel war es, der deutschen Medienlandschaft eine aus unserer Sicht unverzichtbare Stimme zu erhalten. Wir haben nie erwartet, dass unser Engagement in Frankfurt hohe Gewinne zeitigen würde. Eine sich nunmehr abzeichnende dauerhafte Finanzierung hoher Verluste ist aber sowohl für MDS als auch die ddvg nicht länger darstellbar.

Wir haben deshalb in den vergangenen Monaten intensiv untersucht, auf welchem Weg das Unternehmen oder Teile des Unternehmens so umstrukturiert werden können, dass die Verlustzone auf mittlere Sicht verlassen werden kann. Diese Überlegungen haben leider keine überzeugende Perspektive geliefert. Das eingeleitete Insolvenzverfahren bei der Frankfurter Rundschau, fraglos eine der signifikantesten deutschen Tageszeitungen, ist äußerst bitter für die Mitarbeiter, die Leser und die Gesellschafter. Das gilt umso mehr, als vieles auch gelungen ist: Durch das Tabloid-Format wurden jüngere Leser gewonnen. Die App der Frankfurter Rundschau hat nationale und internationale Preise gewonnen und findet eine gute Nachfrage im Markt.

Unser Dank gilt heute den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem Management, die dem Verlagshaus in den vergangenen Jahren engagiert die Treue gehalten haben. Bis heute haben die hartnäckigen Recherchen der Frankfurter Rundschau dazu beigetragen, Missstände in Frankfurt, Hessen und darüber hinaus offen zu legen. Die Analysen und Kommentare zu den Themen aus Politik, Kultur und Gesellschaft finden in der Öffentlichkeit nach wie vor große Beachtung. Wir danken den Mitarbeitern auch für ihre große Bereitschaft, in den vergangenen Jahren neue Wege zu gehen und flexibel zu handeln. Nicht zuletzt danken wir aber unseren Lesern für Ihre Treue und die aktive, kritische Begleitung der Zeitung.'"

Archiv bis Oktober 2013

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